Eine aktuelle Studie zum Lehrkräfteschwund in Deutschland zeigt besorgniserregende Trends. Jährlich verlassen mehr als fünf Prozent der Lehrkräfte dauerhaft den Schuldienst; fast drei Viertel davon vorzeitig. In einigen Ländern sind es fast zehn Prozent, die altersbedingt ausscheiden.
Im Schuljahr 2023/24 sind rund 70.000 Lehrkräfte aus dem Schuldienst ausgeschieden, rund 37.000 von ihnen dauerhaft wegen Alter, Berufs- oder Dienstunfähigkeit oder aus anderen Gründen. Die anderen haben die Schule, das Bundesland gewechselt oder sind in Mutterschutz bzw. Elternzeit gegangen.
Während der Anteil altersbedingter Abgänge kontinuierlich sinkt, hat sich die Zahl der vorzeitigen Austritte seit 2015 mehr als verdoppelt. „Die Relation zwischen altersbedingtem und vorzeitigem Ausscheiden liegt mittlerweile bei 1:2,6 – Tendenz steigend“, betont Dr. Dieter Dohmen, Direktor des FiBS. „Konkret heißt das, dass von den 37.000 rund 10.200 altersbedingt und 26.800 aus anderen Gründen dauerhaft aus dem Schuldienst ausscheiden.“
Ostdeutschland besonders betroffen
Die Studie belegt, dass die Situation in den Bundesländern stark variiert. Mecklenburg-Vorpommern führt mit einer alarmierenden Quote von 9,4 % dauerhaft ausscheidender Lehrkräfte im Schuljahr 2023/24 die Negativliste an – in dem Jahr der höchste Wert bundesweit. Auch andere ostdeutsche Länder wie Sachsen und Berlin verzeichnen überdurchschnittlich hohe Abgangsraten. Im Gegensatz dazu bleiben Hamburg und Hessen mit lediglich 3 % vergleichsweise stabil. „Auch wenn man bundesweit vielleicht nicht von einem Massenexodus der Lehrkräfte sprechen muss, so ist die Lage in manchen Bundesländern seit Jahren dramatisch,“ findet der FiBS-Chef.
Belastung dürfte Hauptfaktor sein
Die Gründe für den vorzeitigen Ausstieg sind vielfältig, doch ein zentraler Faktor dürfte die Überlastung sein. „Die tatsächliche Arbeitszeit von Lehrkräften übersteigt regelmäßig eine 40-Stunden-Woche – psychische und soziale Herausforderungen verschärfen die Situation zusätzlich“, so Dohmen. Besonders betroffen sind Schulen mit hoher Heterogenität in der Schülerschaft oder sozialen Problemlagen.
Handlungsbedarf dringender denn je
Angesichts des bereits bestehenden und sich in den kommenden Jahren verschärfenden Lehrkräftemangels sollten dringend Maßnahmen unternommen werden, die die Belastung deutlich verringern. Dazu könnten gehören: flexiblere Arbeitszeitmodelle, die den tatsächlichen Arbeitsaufwand von Lehrkräften berücksichtigen, und dabei auch zwischen den Fächern differenzieren, wie auch der zügige Ausbau multiprofessioneller Teams. „Nimmt man den dauerhaften Lehrkräftemangel ins Visier, dann bleiben eigentlich nur zwei Wege: Umstellung des Lernprozesses auf mehr individuelles und eigenständiges Lernen der Schülerinnen und Schüler, z.B. fächerübergreifend und projektorientiert, sowie weitgehende Nutzung digitaler Medien, sofern diese pädagogischen Mehrwert bieten. „Ohne grundlegende Reformen wird das deutsche Bildungssystem seinen Auftrag, junge Menschen bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten noch weniger erreichen als derzeit bereits“, warnt Dohmen abschließend. „Kompetenter Nachwuchs ist elementar für die zukünftige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft; Deutschland droht bereits heute, den Anschluss an die weltweite wirtschaftliche Dynamik zu verlieren.“
Die Studie ist unter www.fibs.eu abrufbar.
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P.S. Dr. Dieter Dohmen diskutiert am 13. Februar 2025 auf der didacta zur Finanzierung digitaler Infrastruktur und Medien sowie zu den bildungspolitischen Programmen der Parteien.