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Zwischen Oberflächenanalyse und (fast schon) Fake-News!

Zwischen Oberflächenanalyse und (fast schon) Fake-News!

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Anders kann ich diverse Beiträge großer Tages- und Wochenzeitungen der letzten Tage nicht bezeichnen!

Der Tenor: weil wir zu viele Abiturient:innen haben, wächst der Fachkräftemangel bei den beruflich Qualifizierten - so heißt es übereinstimmend u.a. bei Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Welt oder Focus. 

Studien verweisen darauf, dass wir zukünftig einen Fachkräftemangel sowohl bei Akademiker:innen als auch bei beruflich Qualifizierten haben werden. Es kann auch nicht darum gehen, mehr Azubis und weniger Studierende zu haben, sondern die m.E. einzige Option ist: Mehr Azubis und mehr Studierende zu haben!

Fakt und belegbar ist außerdem: Abiturient:innen werden immer mehr zur Stütze der dualen und schulischen Ausbildung. Abiturient:innen sei Dank ist die Situation am Arbeitsmarkt nicht noch katastrophaler. 

Sie stellen 30% der Neuverträge in der dualen Ausbildung und fast 25% der schulischen Auszubildenden.  Oder anders herum: Fast jede:r zweite Abiturient:in beginnt eine berufliche Ausbildung! D.h. von einer deutlich gestiegenen Zahl an Abiturient:innen gehen immer mehr in eine berufliche Ausbildung.
Diese Entwicklung geht - empirisch belegbar - zu Lasten der Jugendlichen, die kein Abitur haben.

In der Corona-Pandemie haben sich diese Trends noch einmal deutlich verstärkt.

Aus vielen Unternehmen schallt es, dass nur Abiturient:innen die Anforderungen in puncto digitaler und sonstiger Kompetenzen erfüllen würden.

Wenn dies alles richtig ist (und was ich empirisch belegen kann): Was soll dann das Gemecker über zu viele Abiturient:innen und den angeblichen Akademisierungswahn (der hingegen m.E. nie belegbar war, sondern auf Oberflächenanalysen beruhte!)? Sollten wir nicht lieber froh sein, dass immer mehr junge Menschen nach einem höheren Schulabschluss streben? Wollen wir wirklich und ernsthaft argumentieren: Jugendliche, die hier aufgewachsen sind, sollen eine Ausbildung machen, und um die dann noch größere Fachkräftelücke bei den Akademiker:innen zu schließen, holen wir vermehrt Studierende und Fachkräfte aus dem Ausland?

Zudem sollten wir dafür Sorge tragen, dass nicht 100.000 junge Menschen mit einem Mittleren (Real-) schulabschluss im Übergangssektor landen. Da ich nicht glauben will, dass die alle zur Ausbildung nicht taugen, stellt sich mir die Frage, was läuft hier schief?! Nein, die machen nicht alle das Abitur - und wenn, dann nur, weil sie damit bessere Zukunftschancen haben. Womit sich der Kreis schließt.

Ergo: Wir brauchen eine ehrliche und empirisch fundierte Diskussion über die Probleme des (dualen) Ausbildungssystems! Und woran es liegt, dass jedes Jahr tausende Betriebe über fehlende Azubis klagen, und gleichzeitig zehn-, wenn nicht gar hunderttausende junge Menschen keinen Ausbildungsplatz bekommen. An der Demographie, die gerne genannt wird, kann es jedenfalls (noch) nicht liegen.